Tiger and Dragon
Tiger and Dragon, Ang Lee, Taiwan, Hongkong, USA , 2000 Me and … „Hier werden wir ewig sein (…), werden wir nacheinander die Augenblicke der Woche wiedererleben, ohne je aus dem Bewusstsein heraustreten zu können, das wir in jedem einzelnen dieser Augenblicke hatten.“, zitiert Annette Sonnewend aus Adolfo Bioy Casares, La Invención de Morel (Buenos Aires 1940, München 1965). Morels Erfindung besteht aus einer Apparatur, die alle körperlichen Eigenschaften von Personen aufnehmen und wiedergeben kann und so sämtliche Handlungen einer Gruppe von Menschen, die während einer Woche auf einer Insel aufgenommen wurden, unendlich wiederholen kann. Sich selbst in diverse Zusammenhänge unabhängig von Raum und Zeit einzubringen, traumwandlerisch zwischen Realität und Fiktion hin und her switchen zu können, ist eine attraktive Vorstellung und die Künstlerin konstatiert, dass dies in der Mediengesellschaft längst zu einem Modus zur Herstellung von Subjektivität geworden ist: „Wir entwickeln eine Vorstellung von uns selbst, indem wir uns an Images aus Film, Mode, Werbung und den in ihnen niedergelegten gesellschaftlichen Konditionierungen spiegeln.“ Gerhard Johann Lischka nennt dieses Phänomen das dem Medienzeitalter adäquate Double-Bind: „wir haben nicht nur den Spiegel zur Selbstbetrachtung, sondern darüber hinaus die Medien, um uns in unseren Ich-Vorstellungen zu realisieren.“ (Selbst : Darstellung : Selfstyle, Kunstforum International, Bd. 181, S. 58) Annette Sonnewend wählt aus vier Filmen unterschiedlicher Genres und Entstehungszeit je eine kurze Sequenz, skizziert das Setting und baut ein maßstabsgetreues Modell der räumlichen Situation nach. Die Idee eine neue Wirklichkeit kreieren und sich den Raum als zeitlose Person aneignen zu können, liegt der Rekonstruktion des Filmraums als Modell zu Grunde. In den in etwa einminütigen Kurzfilmen trifft die Künstlerin im Modell mit den Originalschauspielern des Films zusammen. Die ursprünglichen Hauptakteure, denen als Handlungsspielraum nur „ihr“ Filmausschnitt zur Verfügung steht und die als teilweise fragmentierte Cut-Outs einfach verschwinden, wenn sie den ihnen einst zugewiesenen Bereich verlassen, geraten gegenüber Annette Sonnewend, die sich auf der gesamten Bühne des Modellraums bewegen kann, ins Hintertreffen. Die Künstlerin reißt durch diesen größeren Aktionsradius aber nicht die Titelrolle an sich, sondern interagiert mit den Schauspielern ohne sich verbal einzumengen. Der O-Ton bleibt bestehen. Realität und Inszenierung verschwimmen und es entstehen fiktive, artifizielle Wirklichkeiten, die befremdlich und vertraut zugleich erscheinen. (Text: Ingeborg Erhart) |